Philosophie
Was ist Meditation des Tanzes?
Meditation des Tanzes ist mit anderen Worten „Besinnung und Selbsterfahrung in Bewegung“. Kreistänze zu klassischer, aber auch zeitgenössischer Musik beinhalten eine innere Ordnung, Symbolik und Harmonie. Indem wir die leicht erlernbaren Choreographien tanzen, können wir ihre wohltuende Wirkung und heilsame Sinnfülle erfahren. Tanzend stärken wir nicht nur unsere Körper-, sondern auch unsere Seelen- und Geisteskräfte.
„Die Meditation des Tanzes will Menschen aufrichten und weit machen.“
(nach Friedel Kloke-Eibl )
Die Wirkung der Meditation des Tanzes:
Willst du getrost durchs Leben gehen, blick über dich !
Willst du nicht fremd im Leben stehn, blick um dich!
Willst du dich selbst in deinem Werte sehn, blick in dich!
Johann Caspar Lavater
Die Grundlage der Meditation des Tanzes ist die sog. Kreuzmeditation (Méditation en croix), die auf der Positionenlehre des klassischen Tanzes beruht. Diese Kreuzmeditation ermöglicht eine Aufrichtung und Ausrichtung in der Vertikalen (Bezug zur Transzendenz, 3. Position), eine Öffnung und Weitung in der Horizontalen (Bezug zur Gemeinschaft, 2. Position) und die Wahrnehmung und Erfahrung meines Eigenraumes (1. Position).
Sie zentriert und fokussiert auf die Mitte, auf das Wesentliche und verbindet uns im Tanzkreis.
Für wen ist die Meditation des Tanzes geeignet?
- Prinzipiell für alle Menschen!
- Bevorzugt für Menschen, die Freude an der Bewegung und an der Ästhetik haben.
- Für Menschen, die sich gerne in der Gemeinschaft und im Kreis bewegen.
- Für Menschen, die nicht nur den Körper trainieren, sondern auch etwas für die Seele tun möchten.
- Für Menschen, die nicht nur an der Oberfläche interessiert sind, sondern gern in die Tiefe gehen möchten.
- Für Menschen, die offen sind für Achtsamkeit und Spiritualität
Die Bedeutung des Tanzes für den Menschen:
Bernhard Wosien, der Begründer der „Meditation des Tanzes“, beschreibt in dem von seiner Tochter (Gabriele Wosien) herausgegebenen Buch „Der Weg des Tänzers. Selbsterfahrung durch Bewegung“, wie er durch die Ballettmeisterin Helga Sweedlund mit den Grundlagen der hohen Schule des klassischen Tanzes vertraut gemacht worden war und wie ihm dieses klassische Exercice zu einem entscheidenden Erlebnis wurde: „In diesen Jahren offenbarte sich mir die Feierlichkeit und klassische Schönheit des Tanzes. Sie ging mich ganz persönlich an und rief meine ganze Begeisterung wach. Für mich ist der Tanz – dies blieb mir bis heute als Erkenntnis – eine musische Botschaft der göttlichen Welt. Nie habe ich es bereut, den Tanz zu meinem Beruf gemacht zu haben, denn seine klassische Methode und Disziplin ist ein Weg zur Selbsterfahrung.“1
Was Wosien allgemein über den (klassischen) Tanz gesagt hat, gilt freilich immer noch und ganz besonders für die Meditation des Tanzes in der Schule und Tradition von Friedel Kloke-Eibl und Saskia Kloke: Sie ist ebenfalls gleichsam eine musische Botschaft aus der göttlichen Welt. Dies ist darin begründet, dass zu klassischer oder auch geistlicher Musik getanzt wird. Die Körperhaltung, die Schritte bzw. die Armführung der Choreographien verdanken sich dem klassischen Ballett oder teilweise auch der Folklore. Diese Kombination aus Musik und Technik bzw. Methode bewirkt eine tiefgründige Sinnfülle und wunderbare Ästhetik, die nicht nur für den Tänzer/die Tänzerin, sondern auch für den Betrachter erfahrbar ist. Allerdings sind diese Tänze nicht als „Schautänze“ gedacht, sondern als eine Form der Besinnung (auch für tendenziell areligiöse Menschen) oder des getanzten Gebetes (für religiöse und spirituell interessierte Menschen).
Grundsätzlich können diese Tänze natürlich alle Menschen tanzen – unabhängig von der Weltanschauung, Konfession oder Religion. Denn in der Meditation des Tanzes geht es selbstverständlich nicht um religiöse Indoktrination, sondern um Selbsterfahrung. Die Erfahrung von Freiheit und Verantwortung, Leben und Tod, Gnade und Schuld, Glück und Sinn, Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit, Zeit und Ewigkeit, Freude und Dankbarkeit etc. ist keinem Menschen fremd. Diese Erfahrungen konfrontieren den Menschen mit der Transzendenz und mit den Grundfragen des Lebens: Woher komme ich, wohin gehe ich, was ist der Sinn meines Lebens, wo finde ich Trost? Insofern sich diese Fragen jedem Menschen stellen – vorausgesetzt, dass er sie nicht verdrängt oder sich ihnen verweigert – hat jeder Mensch bewusst oder unbewusst einen Bezug zur Transzendenz. Wer für diese Themen offen ist, empfängt aus der Meditation des Tanzes einen reichen ganzheitlichen Gewinn.
Und selbst wenn jemand keinerlei Interesse für diese Grundfragen haben sollte, könnte er oder sie auf jeden Fall die Harmonie und Schönheit, die Ruhe oder Beschwingtheit, die Entspannung oder Anregung, die menschliche Begegnung und Gemeinschaft, kurz: die ordnende und heilsame Wirkung wahrnehmen, die der Musik und den Tänzen innewohnt.
Genese
Der Begriff „Meditation“ und der Bezug zum Tanz
Der Begriff Meditation kommt aus dem Lateinischen. Das Verb meditari bedeutet u. a.: über etwas nachdenken, nachsinnen, etwas überdenken … und im übertragenen Sinne: vorbereitend sich auf etwas üben, sich einüben. Das Substantiv meditatio heißt übersetzt: das Nachdenken über etwas, die Bedachtnahme auf etwas, die Vorbereitung, Zurüstung und im übertragenen Sinne die Einübung auf etwas, die Vorübung etc.
Die Vorsilbe med- liegt auch dem althochdeutschen mezzon (messen/ermessen) zugrunde. Sie geht bis auf das Indogermanische zurück, wo es den klug ermessenden, weisen Ratgeber oder auch Heilkundigen bzw. Arzt bezeichnet. Daraus leiten sich auch die lateinischen Wörter mederi (heilen, helfen, vorbeugen), medicare (heilen, mit Heilkräften versetzen), medicus (heilend, heilsam, zum Heilen dienlich), medicinus (zur Arznei/Heilung gehörig) und medicina ars (Arzneikunst, Heilkunst) etc. ab.
Wider Erwarten hat das Wort „Meditation“ etymologisch (also sprachgeschichtlich) nichts mit dem Begriff „Mitte“ zu tun, obwohl „medium“ im Lateinischen „Mitte“ heißt. Wenn wir in der Meditation des Tanzes also um die Mitte tanzen und zur eigenen inneren Mitte gelangen wollen, hat das einen spirituellen, nicht aber sprachlichen Zusammenhang. Umso schöner und bedeutungsvoller ist es, dass es sprachlich in der Meditation und Medizin um das weise und heilsamen Ermessen und Nachsinnen geht. Dieses Nachsinnen und Besinnen wird in der Meditation des Tanzes v. a. dadurch spürbar, dass die Tänzerin bzw. der Tänzer den eigenen Körper und die Gebärden sozusagen mit Bewusstsein erfüllt.
Dies ist ein Unterschied zur funktionalen Gymnastik. Diese hat das Ziel, die Muskeln zu stärken, die Gelenke zu mobilisieren, die Ausdauer und Geschicklichkeit zu verbessern, das Gleichgewicht/die Orientierung/das Gedächtnis zu üben, kurz: den ganzen Körper zu trainieren. All dies bewirkt die Meditation des Tanzes auch. Ihr eigentlicher Sinn aber besteht darin, die Sinngehalte der Musik, also das, was in der Musik hörbar wird, mit Hilfe einer Choreographie in sichtbare Bewegung im Raum umzusetzen. Was dadurch äußerlich sichtbar wird, wird zuvor und währenddessen für die Tanzenden auch innerlich spürbar und umgekehrt. Durch die Choreographie wird die Musik also in Bewegung übersetzt und durch das Tanzen werden die Inhalte der Musik für den Tänzer (und ggf. Betrachter) erfahrbar.
Je nach Musik können solche Inhalte beispielsweise sein: Freundschaft, Liebe, Freude, Hoffnung, Zuversicht, Vertrauen, Dankbarkeit, Verzeihung, Trost, Frieden etc. Die Sinngehalte der Tänze sind so umfassend wie die jeweiligen Musiken. Wie wir heute aus der sog. Embodiment-Forschung wissen, wirken nicht nur Seele und Geist auf den Körper ein (Psychosomatik), sondern umgekehrt können auch körperliche Erfahrungen die Psyche und den Geist beeinflussen.
Indem der Körper die Bewegungen und Gebärden des Tanzes somit vollzieht, indem er sich z. B. aufrichtet, öffnet, weitet etc., übertragen sich die körperlichen Erfahrungen auch auf die Seele und den Geist. Konkret: Eine Friedensgebärde (auf der physischen Ebene) kann dem Tänzer auch das entsprechende Gefühl und den geistigen Gehalt dieses Wertes vermitteln (psychische und geistige Ebene). Und umgekehrt: Je bewusster oder inniger man eine Gebärde vollzieht, desto intensiver überträgt sich der Sinngehalt der Gebärde auch auf den Körper. Insofern kann die Meditation des Tanzes wirken wie Medizin, nämlich ganzheitlich wohltuend und heilsam.